Biosicherheit: Bald Post von der Tierseuchenkasse

02 September 2024
Biosicherheit
Postbote

In Niedersachsen bekommen alle Geflügelhaltungen bald Post von der Tierseuchenkasse. Jedem Betrieb wird -kostenfrei- ein Biosicherheitscheck inkl. Erarbeitung eines Konzepts zur Seuchenvorsorge angeboten. Kann man das künftig nicht vorweisen, droht im Schadensfall die Kürzung von Entschädigungen.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Niedersächsische Tierseuchenkasse (TSK) für Geflügelpestfälle Entschädigungen in Höhe von 56 Mio. Euro ausbezahlt. Insbesondere die beiden großen Seuchenzüge 2016/17 und 2020 bis 2023 schlugen dabei stark zubuche. Von 2020-2023 waren in Niedersachsen fast 200 Betriebe mit Nutzgeflügel betroffen.

In Niedersachsen, Deutschlands geflügelstärkstem Bundesland, zahlt die TSK die Räumung der betroffenen Betriebe, die Entsorgung der getöteten Tiere, die anschließende Reinigung und Desinfektion sowie den „gemeinen Tierwert“.

EU kofinanziert Entschädigungszahlungen

Die Entschädigungsleistungen im Geflügelpestfall werden nicht allein von den Tierseuchenkassenbeiträgen der Geflügelhalter bezahlt, sondern von Bund und EU kofinanziert. Infolge der hohen Belastung durch die vielen Geflügelpestfälle in den vergangenen Jahren mussten aber auch die Beiträge der Tierhalter deutlich angehoben werden. 2023 zahlte ein Putenmäster in Niedersachsen 1,77 Euro/Putenhahn. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen oder Bayern waren es nur 0,50 Euro.

Die EU als Kofinanzierer will die Tierhalter stärker in die Pflicht nehmen bei der Seuchenvorsorge. Mit ein Grund dürfte sein, dass die Kofinanzierung der hohen Seuchen-Entschädigungsleistungen durchaus kritisch diskutiert wird.

EU nimmt Tierhalter mehr in die Pflicht

Ein neues EU-Tiergesundheitsrecht (Animal Health Law = AHL) verpflichtet den Tierhalter, wirksame Biosicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren auf seinem Betrieb zu ergreifen. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Tierseuchen wie Geflügelpest oder Afrikanische Schweinepest.

Dr. Ursula Gerdes, Niedersächsische Tierseuchenkasse

Gemäß EU-Tiergesundheitsrecht sollen tierhaltende Betriebe betriebsindividuell Managementpläne für die Biosicherheit erstellen. Dazu gehören etwa Regelungen zum Tier-, Personen- und Fahrzeugverkehr oder Vorgaben zur Nutzung von Ausrüstung im Betrieb. Das neue EU-Gesetz schreibt außerdem vor, dass Tierhalter Vorsorge treffen müssen bezüglich Maßnahmen, die sie bei Ausbruch einer Seuche zu ergreifen haben.

Doch auch die Tierärzte werden im AHL bei der Seuchenvorsorge in die Pflicht genommen. Insbesondere sollen sie ihre Tierhalter diesbezüglich „sensibilisieren“ und beraten.

Konzept von Landvolk und Tierseuchenkasse

Damit Geflügelhalter den neuen Anforderungen des AHL gerecht werden können, wurde auf Initiative der TSK und des Landvolk Niedersachsen die „Arbeitsgruppe Biosicherheit in Geflügelhaltungen“ mit Beteiligten aus Verbänden, Verwaltung und Wissenschaft gegründet. Die Arbeitsgruppe erstellte ein Biosicherheitskonzept für Geflügel haltende Betriebe (ab 1.000 Tieren). Das Konzept wurde im März diesen Jahres veröffentlicht und steht zum Download auf der Homepage der TSK.

Ein entsprechendes Konzept für Rinderhaltungen ist derzeit in Arbeit, das Konzept für Schweinehaltungen wurde bereits im vergangenen Jahr fertiggestellt.

Aktuell lassen sich Fachtierärzte in Niedersachsen für die Biosicherheitsberatung in Geflügelbetrieben schulen. Das ist Voraussetzung, damit die TSK die Beratung der Betriebe bezahlt. Ab etwa Oktober diesen Jahres können Geflügelhalter die Tierärzte dann „buchen“. Dabei wird ein betriebsindividueller Managementplan Biosicherheit erstellt. Bis zu vier Stunden zahlt dabei die TSK, der Managementplan ist für jede seuchenhygienische Einheit zu erstellen. Gibt es auf einem Betrieb zum Beispiel Putenhennen und Putenhähne, müssen zwei Pläne erstellt werden, die jeweils bezahlt werden.

Schulungen für Tierärzte laufen derzeit

Wie Dr. Ursula Gerdes, Geschäftsführerin der TSK, auf der ersten Schulung der Geflügel-Tierärzte in Bad Zwischenahn betonte, stößt das in Niedersachsen entwickelte Konzept der Biosicherheitsberatung auf großes Interesse in anderen Bundesländern. Sie geht davon aus, dass es teilweise übernommen werden wird.

Für Geflügelhalter, aber auch für andere Tierhalter, läuft ein Count-down: Bis 2026 müssen sie ihre Managementpläne zur Biosicherheit vorliegen haben, ansonsten drohen im Seuchenfall Kürzungen bei den Entschädigungszahlungen. Im Einzelfall kann die Kürzung sogar 100 Prozent betragen. Bei hiesigen Stallgrößen kann der wirtschaftliche Schaden eines Seucheneintrags hoch im sechsstelligen Bereich liegen.  

Biosicherheit bekommt noch mehr Bedeutung

Auch in den vergangenen Jahren gab es in Einzelfällen bereits Leistungskürzungen der TSK, wenn Betriebe nachweislich gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt hatten oder zum Beispiel Tierzahlen nicht korrekt gemeldet hatten. Durch das neue AHL bekommt das Thema Biosicherheit nun noch einmal größere Bedeutung. Dr. Ursula Gerdes stellte auf der Tierärzte-Schulung klar, dass die Betriebsleiterin oder der Betriebsleiter verantwortlich sind für die Einhaltung der Biosicherheit. Die Tierärzte übernehmen mit ihrer Beratung keine Haftung.

Die Schweinehaltungen in Niedersachsen wurden bereits alle per Post über das Angebot der kostenfreien Biosicherheitsberatung informiert. Hier haben die ersten Termine bereits stattgefunden. In Kürze werden nun auch die Geflügelhalter angeschrieben: „In den Geflügelbetrieben hat sich in den vergangenen zehn Jahren sehr sehr viel getan bezüglich der Biosicherheit“, sagte sie anerkennend, dennoch gebe es oft noch Luft nach oben.

Veranstalter der Tierärzte-Schulungen ist das Netzwerk Fokus Tierwohl und der Bundesverband praktizierender Tierärztinnen und Tierärzte in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft, der Niedersächsischen Tierseuchenkasse und dem Landvolk Niedersachsen.

 

Christa Diekmann-Lenartz
Bild: AdobeStock_Jean-Pierre

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